Juni 2014
Es war gerade einer der Tage, wo der Frühling behutsam beginnt, seine Fühler auszustrecken. Ich weiss noch genau, wie die Sonne durch das Küchenfenster ins Büro schien, und ich zwischen Curry und Reis gedankenverloren vor mich hin brummelte: „Da kann ich mir doch gleich einen Monat Urlaub nehmen!“.
An den genauen Kontext der Unterhaltung, kann ich mich nicht mehr erinnern, sehr wohl aber daran, dass das leicht Dahingesagte, keinerlei Einwände hervorbrachte. Weder vom Chef noch von den Kolleginnen.
Und da war der Samen schon gelegt. Bis der Entschluss tatsächlich keimte, vergingen noch einige Wochen. Dann aber, gings flott ans Planen. Denn ich will noch Ende Mai weg.
Israel, ein Land wie kein zweites. Wahrscheinlich eigentlich zwei Länder, auf jeden Fall aber so viel Meinungen darüber wie es Einwohner hat, wie ich später erfahren sollte. Jeder hat hier sein eigenes Stück Wahrheit gepachtet, mit Meinungen bestätigt, umzäunt und sein Leben drauf gebaut.
Viele Erfahrungen, viele Ideen, und genau so viele Lösungen, aber keine davon akzeptabel für die Mehrheit der Bevölkerung. Mehr dazu später.
Denn zuvor solls noch nach Kairo gehen. Die alten Ägypter, zweifellos eine der interessanteren Kulturen, unserer vergleichsweise kurzen Verweildauer auf diesem Planeten, haben mich immer schon interessiert, umso mehr, als mir unlängst einige Dokus an Herz gelegt worden sind. – Pyramiden inklusive, obwohl ich sonst Touristenagglomerationen tunlichst zu meiden versuche.
Somit war der einzige Fixpunkt der Reise, ein Flug in die Hauptstadt Ägyptens gebucht. Es scheint: ich vertraue wohl auf mein ‚Reiseglück‘.
„Glück“, mindestens einen Monatsvorrat habe ich schon auf der Taxifahrt vom Flughafen zu meinem Hostel in Downtown verbraucht.
Es ist nicht nur der Verkehr eine Katastrophe, auch der Fahrer selbst scheint ein Sohn Niki Lauder’s zu sein. Mit dem kleinen Unterschied, dass sein Bolide keine Keramikbremsen, sondern die Serienausstattung eines verrosteten koreanischen Kleinwagen eingebaut hat. Kopfstützen, und Gurte sind im ganzen Land sowieso Luxusausstattung, und werden, sofern vorhanden, nur von Touristen benutzt (und dann vom Chauffeur belächelt). Und das Beachten der Straßentafeln und Markierungen ist, je nach Gemütsverfassung und Mondphase, optional.
Kurz der Verkehr ist weit davon entfernt, geregelt zu sein. So manch ein Italiener oder Südfranzose, könnte an diesem Punkt leicht in Versuchung geraten, über die Ordnung im heimischen Straßenverkehr zu schwelgen. (Ägyptens Hauptstadt, ist ja auch unter den Spitzenländern was Verkehrsunfälle betrifft)
Kairo zeigt sich wie zu erwarten war, als ein Moloch sondergleichen. Wahrlich keine Touristenstadt. Mein Glück, das gerade eine Freundin für ein zwei Wochen bei ihren Eltern in Kairo auf Besuch ist, denn ohne sie hätte das Gesicht der 18-Millionenstadt für mich ganz anders ausgesehen.
Sie war es auch die mir eingebläut hat, auf keinem Fall irgendwo in Downtown abzusteigen, besser in den Aussenbezirken, wie Heliopolis, wo man sich von den Straßen fernhält, und das eigentliche Leben hinter Hotelfenstern und massiven hölzernen Wohnungstüren beginnt.
Oder im Zweifelsfall in New Cairo, wo auf dem sandig schmutzigen Niemandsland zwischen den Häusern nur Blechkarossen verkehren, und im Bau stehengebliebene, Nobelvillenskelette, höchstens ein paar Obdachlosen Schutz bieten. Mein Sturkopf aber, war in dem Fall, wie so oft, größer.
Ich steige in Downtown aus. Das Hostel befindet sich in der achten Etage eines Hochhauses, dass (hoffentlich) schon bessere Zeiten gesehen hat. Doch liegt es ‚zentral‘, gleich unweit des Tahrirplatzes, und des Ägyptischen Museums, und bietet Aussicht auf benachbarte Reklametafeln, den Nil, und die gleich anliegende vierspurige Autobahnauffahrt. Der Lärm ist bezeichnend für diese Stadt. Neben der drückenden Hitze hat er sicher einen der größten Einflüsse auf das körperliche Wohlbefinden. Nach einiger Zeit findet man sich damit ab, dass alle Gespräche, Taxifahrten mit nie endeten Hupen, Schreien, Motorenlärm, und den immer wieder kehrenden Muezzinen begleitet wird.
Die nächsten Tage waren größtenteils geprägt vom langsamen Entdecken der Stadt, Party’s in den angesagtesten, wenn auch gut hinter (scheinbaren) Wohnungstüren, oder Hotelfassaden versteckten Bars und Nachtclubs. Wer hier 30 Euro locker hat, kann schon mal im FourSeasons eine gemütliche Vorglührunde machen, denn das Konsumationsminimum gilt als Eintritt, und zieht somit einen eleganten Schnitt durch die zu erwartende Mittel- und Oberschicht.
Durch Pharo’s Rache war gegen Mitte der Woche mal Ruhe angesagt, tatsächlich hat bei aller Überzeugung schlussendlich nur das lokale Antibiotika geholfen.
Gegen ausländische Präparate sind die eingeborenen Bakterienstämme scheinbar immun.
Der Medizin sei Dank, dass ich bei der Hochzeit (auf die ich kurzfristig eingeladen wurde) noch sämtliche Gänge bis hin zur Afterparty im sauteuren Fairmont Resort genießen konnte. Hier wurde ein schöner Kleinwagen verfeiert, und man will auch nicht wissen woher das Geld kommt. Denn das Klientel in diesem Hotel besteht zum größten Teil aus Scheichs, und Ölmultis, gepaart mit hochrangigen ägyptischen Offizieren, die sich in der gedimmten Lobby hinter ausladenden Ohrensesseln, freundschaftlichem ‚Geplänkel‘ hingeben. Auf das großmütig, machthaberischen Gehabe der einen Seite, antwortet die wohlhabende Gegenpartei, gelassen mit Nachsicht und freundlichem Getätschel.
Einen Stock tiefer geht trotz „Alkoholverbots“ ziemlich die Post ab. Musikalisch, setzen ägyptische Sänger und Bands die Masse in rhythmische Bewegung, zu späterer Stunde übernimmt diese Aufgabe die DJ Line. Das Hochzeitspärchen wird auf allen Ebenen gefeiert. Es sprühen Funken sobald sie die Bühne betreten, sie werden betanzt, wenn sie diese verlassen. Danach kommt das das obligatorische Hochzeitsvideo, und dazwischen immer noch ein weiterer Gang Essen.
Etwas später, wenn die wichtigeren Herrschaften sich vertschüsst haben, tauchen gemächlich Summen an hochprozentigen Flüssigkeiten hinter der Bar auf. Die kommen natürlich nicht vom Hotel, sondern vom Herrn Bräutigam selbst, der mit Weitblick, Tags zuvor einen großzügigen Abstecher in die Duty Free Zone gemacht hat.
Das war, ums kurz zu machen, ein wirklich leiwandes Erlebnis. Nicht nur der ganze orientalische Tamtam, und dass man von vorne bis hinten bedient wurde. Alleine die derbe Präzenz des Klassenunterschiedes auf der eigenen Haut zu spüren, ist eine Erfahrung für sich.
Die Tage darauf, gabs auch noch vereinzelt Höhepunkte: die Wahl des neuen Präsidenten, eine Vorfuehrung von traditioneller Musik mit Derwischen die sich in immer schneller werdenen Tempo drehen, Essen bei Freunden, & bei Sarahs Tante (Es wäre nicht denkbar gewesen, diesen Essen bei ihr Zuhause zu machen, denn „ein single Mann der eine single Tochter besucht“, hat hier eine weitreichende Bedeutung).
Ägypten ist ja reich an Lebensentwürfen die alle mehr oder weniger gut funktionieren, und Sonderlichkeiten, die einen Westler schnell überraschen. Aber das Absurdeste, was mir in diesen letzten Tage mit Sarahs Freunden aufgefallen ist, ist die enorme Kluft, zwischen dem Bild, dass die Eltern und Verwandten von ihrem Sprösslingen haben, und dem was tatsächlich in dem Leben der Jungen vor sich geht. Und das ganz gleich ob man pupertär 15, oder anfang 30 ist.
Vielleicht ist das der Grund, warum sich bei den Jungen untereinander eine ganz spezielle Art der Freundschaft entwickelt. Sehr eng und vertraut, bildet sich hier so etwas wie eine Zweitfamilie heraus, die ein Forum der Offenheit bietet, und man sich so, vor den Widrigkeiten, und selbstsüchtigen Einflüsse der Gesellschaft (also allen Anderen) abschirmt. Ein bisschen wie eine Loge, die sich selbst untereinander Privilegien offeriert.
Nach gut einer Woche reisen Sarah und fast alle ihre Freunde, die auch wegen der Hochzeit gekommen waren (sie sind fast alle Expats) wieder ab. Danach wurde es etwas ruhiger. Abgesehen von der Wahl Al-Sisi’s, wo’s auf sämtlichen Strassen ziemlich rund gegangen ist. Und vor allem um den Tahrir, wurde bis in die Morgenstunden gefeiert.
(Danke Shamae, dass du mich an dem Tag, bis vor die Haustür gebracht hast. Der Roller war in dieser Nacht das einzige wirklich praktisch mögliche Transportmittel).
Danach gab es aber wirklich keine Ausrede mehr, mir die ein/zwei must-see Sights anzuschauen. Zum Beispiel das Ägyptische Museum, dass ja keine 100 Meter von meinem Zuhause entfernt liegt, getrennt lediglich, durch eine doppelt vierspurige Strasse (oder wohl eher Autobahn).
Ja, ich habe die Querung zwar gut überstanden, aber auch nur deswegen, weil ich davor schon genug Zeit hatte, mit diesem unpersönlichen Wesen von Verkehr auseinanderzusetzen.^^Gerade an dieser Stelle der Straße kann man des öfteren Touristen beobachten, wie sie am Bordstein herumschwätzelnd, vorsichtig zwischen Schicksal und touristischer Verpflichtung abwiegend, auf eine Lücke im Verkehr warten.
Der Trick ist: (ich wollte es vorher auch nie glauben) man darf, sobald man auf der Straße ist nicht (nie!) stehenbleiben. Das Mantra lautet: „Egal wie schnell der ‚Gegner‘ sich nähert, er wird wohl irgendwann im letzten Moment bremsen“.
Steckt man jedoch einmal fest, umfließt einen in Sekundenschnelle die Blechlawine, was die Sache bei weitem nicht ungefährlicher macht. Für potentielle Touristen, gibt’s sogar schon ein paar nette Videos auf Youtube, wıe zB. das von CNN :)
Das Museum an sich war zwar interessant, und doch obwohl zahlenmäßig gut ausgestattet mit Artefakten und Steinen aller Art, hat es mich nicht in den Maßen beeindruckt, in denen manche Leute davon schwärmen. Womöglich liegt es einfach an meinen mangelnden geschichtlichen Rückhalt, und daran, dass ich mir das Leben einer Kultur anhand von Steintruhen und Töpfen, nur schwerlich ausmalen kann.
Bleiben also noch die drei Steinhaufen am Rande der Stadt. Auf die bin ich wirklich schon gespannt. Und das schreit nach einem neuen Kapitel:
Ein eigenes Kapitel: Die Pyramiden.
Am Tag drauf fahre ich schlussendlich raus nach Giza, um mir die Pyramiden anzuschaun. Ich versuche so gut wie möglich Kosten zu sparen und möchte ausserdem wie ein Local da hinzukommen. Keine Shuttlebusse, keine Taxis die einem alle über den Tisch ziehen, sobald sie gneißen, dass man den Touri-Hotspot besuchen will.
Nein, ich nehme einen der großen offenen unnummerierten Bussen, „die sind gleich da drüben unter Autobahnauffahrt“, heißt es. Nur dass es da drüben keine Haltestelle gibt. Ewiges Fragen. (man hat hin und wieder das Glück einen englischsprechenden Kairoer zu treffen, aber selten einen der den Weg kennt). Und doch, ungefähr Nummer 22, antwortet in gut gebildeten „You want to go to Giza?“.
„Yes, Pyramides. Is there a Bus? Local Bus?“,
„Come with me. I go Giza, because I live there. Come with me my friend.“ sagt der Mann mit dem freundlich, müdem (er kommt gerade von der Arbeit), dunkelbraun gegerbten Gesicht. Ich hätte seine Absicht schon im letzten Absatz erkennen können, doch er kennt ja den Weg.
Wir tratschen nach Gelegenheit und Verständnis, denn die Fahrt aus der Riesenstadt dauert. Irgendwann springen wir ab. Verwinkelte Gassen, Kameldung und Rikschas lassen auf die Nähe der Pyramiden schliessen.
Eh Voila! Ich befinde mich in einem kleinen Hinterhof, es wird bestimmt Chai angeboten. Sein Onkel, meint mein freundlicher Busgefährte mit dem Kopf nach rechts deutend, hat ein Kamel für mich. Um die Pyramiden zu erkunden. Nicht teuer. (Ich kann mich nicht mehr an die Summe erinnern, aber sie war selbst für Touristen jenseits von Gut und Böse) Ich sage ihm bestimmt, was ich davon halte, und dass ich auch nicht die Absicht habe, auch nur für ein Drittel des Preises durch die Dünen zu reiten. Ich will nur zu den Pyramiden!
Der Onkel findet sich verarscht, und erklärt mir die Lage: das Plateau ist riesig, und wir sind noch dazu etwas abseits, ich würde ne Ewigkeit brauchen um zu den Pyramiden zu finden. (bei der Hitze!) Mir egal! Der Onkel erweitert seinen Wortschatz etwas, aber auch seine Hand wird mich nicht davor abhalten, den Weg selbst zu finden. Der freundliche Busgefährte wirkt etwas bedrückt, er hat wohl nicht mit soviel Gegenwind gerechnet.
Ich folge den Strassen und Mauern um das (wirklich riesige) Plateau. Die Szenen wiederholen sich gelegentlich. Jeder will mir Gutes und einen treuen Gefährten für die Wüste anvertrauen, oder zumindest eine Rikschafahrt bis zum Eingang. Ich aber, habe schon früher beschlossen, dieses Geldverschwendung den ‚wahren ‚ Touristen zu überlassen. Eventuell komme ich an einem kleinen Seiteneingang (zum Plateau) vorbei. Alleine das Betreten kostet. Ich überlege kurz, ob sich hier schon wieder jemand was dazuverdienen will (man wird hier wirklich mit der Zeit paranoid:), egal ich geh rein.
Es ist noch ein Stück zu den Pyramiden, ein großes Stück eigentlich. Ein paar weitere Gaukler tauchen auf, versuchen zu überzeugen, aber auch Greifen, und Halten hilft nichts, ich gehe weiter.
Der Weg zieht sich. Nachdem ich seit dem Eingang aufmerksam das Preisniveau verfolgt habe, lässt sich der Dritte auf ein Tiefpreisoffert ein. Mit einem seiner Pferde darf ich eine Stunde lang rumreiten, zu den Pyramiden, wohin ich will – nur 20 Pfund. Was soll da passieren, denke ich, nichtsahnend.
Doch das Schlitzohr ist wieder einmal einen Schritt voraus. Denn ohne seinen Herrn will das Pferd kaum 20 Schritte machen, dann bleibt es stehen, und wartet auf weitere Anweisung. Kann man machen was man will.
„Twenty minute Guide, only 40 Pounds, you want Sir? I can show you everything.“
Ich lasse dem gutem Mann seine 20 Pfund, und steige ab. Bevor ich den Glauben an die Menscheit verliere.
Was können die guten alten Pyramiden dafür, dass hier, ausserhalb der alten Steinhaufen, das Babylon herrscht? Genau. Nichts!
Irgendwann erreiche ich die zweite Pyramide. Kamera muss draussen bleiben. Mein IPhone hat er übersehen (das Video ist für dich, Didi;), ich gehe rein, gebückt durch den niedrigen Schacht, es ist nur ein langer Gang und eine Kammer. Schon merkwürdig, dieser Reisenhaufen nur für eine kleine Kammer… Ich spare mir hier die Ausführung verschiedener (Verschwörungs) Theorien, die, wenn man das Gebäude mal in echt erlebt, gleich viel echter wirken.
Kann es aber jedem empfehlen, sie selbst zu besichtigen und sich eine Meinung zu bilden. Vor allem da gegenwärtig kaum Touristen in Kairo sind. Ich war ca. 20 Minuten ganz alleine in der Kammer (der Sarkophag ist net unbequem), bevor mich der Kassier vom Eingang wieder verscheucht hat.
Der derzeitige Enpass an Besuchern macht natürlich auch die Hustler am Plateau erklärbar, schließlich leiden sicher nicht wenige Familien am Mangel finanzkräftiger Touristen.
Jedenfalls merke ich dass es Zeit für mich ist weiterzufahren, Richtung Israel. Zuerst aber noch werde ich einen Abstecher nach Sinai machen, an der Küste zum Roten Meer gibt es scheinbar Beduinencamps, und es wurde mir mehrmals ans Herz gelegt, dort mal vorbeizuschauen.
Aber das ist eine andere Geschichte;)
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